JETZT: Du hältst am Conference Day der JETZT Recruiting am 4. März 2020 einen Impulsvortrag zum Thema „Was bedeutet New Work und was verändert sich für HR & Recruiting dadurch“. Was dürfen sich die Konferenzteilnehmer von Deinem Vortrag erwarten?
Kristina Knezevic: Wir befinden uns mitten in einem Paradigmenwechsel. Der Wandel in der Arbeitswelt wird von der Digitalisierung, einem Fachkräftemangel sowie vom Werte- beziehungsweise Kulturwandel getrieben. Das hat Auswirkungen auf die Gesellschaft, den Einzelnen und Unternehmen gleichermaßen. Insbesondere im Bereich HR und Recruiting sind die Veränderungen rasant. Den Teilnehmern werde ich Einblicke in die Treiber von New Work geben, ich werde aufzeigen, worauf sich Personaler vorbereiten müssen – Stichwort Künstliche Intelligenz (KI) – und wie New Work zur Chance für HR und Recruiting wird.
JETZT: Kannst Du in wenigen Worten beschreiben, was New Work – aus Deiner Sicht – bedeutet?
Kristina Knezevic: Wie gesagt, stellen wir eine Disruption der Arbeitwelt an sich fest. Der Umbruch kommt aber nicht mit einem großen Paukenschlag, sondern ist ein Prozess, der die einzelnen Branchen und Unternehmen sehr unterschiedlich erfasst. New Work ist die Antwort auf die Veränderung der Arbeitswelt – aber, für New Work gibt es keine einheitliche Definition oder Lösung. Wir sehen aber, dass die Frage nach dem persönlichen Sinn und Selbsterfüllung, mehr Flexibilität und Freiräume, flachere Hierarchien, mehr Selbstorganisation und Agilität, genauso wie der Purpose eines Unternehmens noch mehr ins Zentrum rücken. Arbeit wird noch mehr zu einem identitätsstiftenden Bestandteil des Lebens. Daher braucht es individuelle Konzepte für Unternehmen und Beschäftigte. Mir persönlich ist es sehr wichtig, in einem Job zu arbeiten, der Sinn hat. Auch die Freiheit, selbst Dinge zu gestalten und meine Kreativität einzubringen, ist wichtig für mich. Das zu tun was ich wirklich will – das ist New Work für mich.
JETZT: Im Anschluss an den Impulsvortrag nimmst Du am Fireside-Chat zum Thema „Wie Arbeitgeber und Arbeitnehmer heute und morgen idealtypisch zusammenfinden“ teil. Worauf glaubst Du kommt es im Jahr 2020 im Recruiting-Prozess an?
Kristina Knezevic: New Work ist Realität – das bedeutet gleichermaßen, dass auch New Recruiting schnell Realität werden muss. Fachkräfte können nicht mehr mit den klassischen Mitteln umworben werden, sie wählen sehr bewusst und sorgfältig und sie suchen nicht nur nach Jobs, sondern nach Sinnerfüllung – all das nimmt mehr Zeit in Anspruch. Auch der Cultural Fit zwischen Unternehmen und Bewerbern wird zunehmend wichtiger. Doch zu oft noch verlassen sich Unternehmen darauf, dass Bewerber auf klassische Stellenanzeigen reagieren. Dabei braucht es eine ganzheitliche Recruiting-Strategie, das reicht von der Positionierung des Unternehmens mit einem Employer-Branding-Profil, über das Anlegen von Talentpools bin hin zur Mitarbeiterbindung. Wesentlich ist auch die aktive Ansprache passender Kandidaten. Denn der Markt latent suchender Fachkräfte ist rund drei Mal so groß wie der Markt aktiv Suchender. Zudem möchten 51 Prozent aller Kandidaten gerne aktiv angesprochen werden. Zusätzlich sehen wir im Employer Branding viel Aufholbedarf.
JETZT: Und wie locken Arbeitgeber die besten Talente in ihre Unternehmen?
Kristina Knezevic: Indem man ein Arbeitgeber ist, den man liebt. Dazu muss man zunächst einmal seine Zielgruppe kennen. Was motiviert diese Talente, welche Bedürfnisse haben sie und warum ist man das richtige Unternehmen? Die Bedürfnisse haben sich vielfach geändert. Gehalt ist natürlich immer noch wichtig, aber wird zunehmend zum Hygienefaktor. Hochqualifizierte Mitarbeiter wünschen sich ein Unternehmen, mit dem man sich identifizieren kann, das mit den eigenen Werten übereinstimmt und in dem man selbst mitgestalten und Entscheidungen treffen kann. Auch flexible Arbeitszeiten und Home Office sind wichtige Faktoren und manche Mitarbeiter möchten ihren Hund mit zur Arbeit nehmen. Arbeit wird also zunehmend individueller, daher müssen auch Unternehmen ihre individuelle Kultur authentisch transportieren – das erhöht die Chance, die richtigen Kandidaten zu finden. Wir sehen aber, dass viele Unternehmen das Versprechen auf Authentizität und Unverwechselbarkeit, statt Gleichförmigkeit und Austauschbarkeit, kaum erfüllen. Stattdessen produzieren Arbeitgeber Hochglanz-Werbebroschüren mit pauschalen Botschaften. Ziel muss aber sein, sich von flotten Sprüchen zu verabschieden – weg von Employer Branding im Sinne von Werbebotschaften, hin zu Employer Transparency mit mehr Zielgruppenorientierung, dem Willen sich authentisch vom Mitbewerb abzugrenzen und einer wechselseitigen Kommunikation.
JETZT: Inwiefern werden sich Recruiting-Prozesse in den kommenden Jahren, Deiner Meinung nach ändern?
Kristina Knezevic: Die Digitalisierung sorgt bereits heute für eine riesige Transformation der Arbeitswelt, die sich in den kommenden Jahren noch einmal rasant beschleunigen wird. Technologische Innovationen werden binnen kürzester Zeit zum selbstverständlichen Begleiter im Alltag und im Beruf. Sie werden nicht nur zu elementaren Arbeitsmitteln, sondern verändern auch die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten und Arbeit organisieren. Die Veränderungen der Arbeitswelt wirken sich natürlich auch auf Recruiter und HR-Abteilungen aus. So können Computer mit Hilfe von KI automatisierte Telefoninterviews führen und mittels Sprachanalyse passende Kandidaten vorselektieren. Doch hier sind wir erst am Anfang: Blicken wir in die Zukunft, so werden Technologien HR-Verantwortliche noch stärker unterstützen und ihnen noch effizienteres Arbeiten ermöglichen. Laut aktuellen XING-Zahlen gehen fast 90 Prozent der befragten Personaler davon aus, dass „Robo-Recruiting“ bereits in 15 Jahren eine wesentliche Rolle im Recruiting-Prozess spielen wird (Quelle: XING Trendbook 2018). Diese Einschätzung zeugt von einer souveränen und gleichzeitig offenen Einstellung gegenüber neuen Technologien.
JETZT: Welche Vorteile hat der Einsatz von KI in Recruiting-Prozessen aus Deiner Sicht?
Kristina Knezevic: Technologie wird Personaler mehr und mehr unterstützen und von Routineaufgaben befreien. Im Recruiting kann ein Algorithmus das Matching übernehmen, dafür können sich Recruiter stärker auf das Wesentliche und ihre Kernkompetenzen fokussieren: die Auswahl der richtigen Kandidaten. So steht im Zentrum der Arbeit die Frage nach dem Cultural Fit, also passt der Kandidat ins Team beziehungsweise Unternehmen. Auch Bewerber profitieren von KI: Jobsuchende werden sich beispielsweise mittels Virtual Reality bereits vorab ein realitätsgetreues Bild des potenziellen Arbeitgebers machen können. All das erhöht die Chance, sich ein tieferes Bild von Bewerbern und Unternehmen zu machen und für ein perfect match zu sorgen.
JETZT: Was hältst Du generell von der Idee eine monothematische Fachkonferenz zum Thema Recruiting zu lancieren?
Kristina Knezevic: Die Idee ist gut, denn insbesondere im Feld HR & Recruiting wirken sich die Veränderungen am Arbeitsmarkt stark aus. Es ist daher wichtig, dass wir Recruiting im Kontext dieses Paradigmenwechsels betrachten. Aus meiner Sicht braucht New Work auch New Recruiting und New Recruiting muss immer im Zusammenspiel mit dem gesamten Unternehmen gesehen werden. Nach innen betrifft das zum Beispiel die Art des Zusammenarbeitens und eine sich verändernde Unternehmenskultur. Nach außen zeigt sich das in der gesamten Unternehmens-Kommunikation: von Employer-Branding-Profilen, über den Umgang mit Arbeitgeberbewertungen bis hin zur Kommunikation innerhalb der Bewerbungsprozesse.